Sucht und innere Anteile

Wie das IFS-Modell bei der Überwindung von Suchtverhalten hilft

Suchtverhalten ist oft ein Ausdruck von tiefen inneren Konflikten und emotionalen Wunden, die in der Vergangenheit entstanden sind. Das Internal Family Systems (IFS)-Modell bietet einen einzigartigen Ansatz, um diese inneren Konflikte zu verstehen und zu heilen. Im IFS-Modell wird angenommen, dass der Mensch nicht als einheitliches „Ich“ handelt, sondern aus verschiedenen inneren Teilen besteht, die unterschiedliche emotionale Reaktionen und Verhaltensweisen repräsentieren.

Die Rolle der inneren Anteile bei der Sucht
Suchtverhalten entsteht oft, wenn Schutzteile in der Psyche aktiv werden, die darauf abzielen, emotionalen Schmerz zu betäuben. Diese Teile, wie die „Feuerwehrleute“ im IFS-Modell, reagieren impulsiv, um kurzfristig Erleichterung zu verschaffen. In vielen Fällen sind diese Teile darauf ausgerichtet, den Schmerz oder die Wunden von verbannten Teilen zu lindern – diesen Teilen, die in der Vergangenheit durch traumatische Erlebnisse verletzt wurden und nun tief in uns gespeichert sind.

Ein häufiges Beispiel ist der „Feuerwehrmann“, der durch das Konsumieren von Drogen, Alkohol oder anderen Süchten versucht, den emotionalen Schmerz zu betäuben. Dieser Teil verfolgt eine positive Absicht, indem er vorübergehend vor unerträglichem emotionalem Stress schützt. Doch auf lange Sicht führt dieses Verhalten zu negativen Konsequenzen und verstärkt die Konflikte in der Psyche.

Die Rolle der schützenden Teile: Manager und Feuerwehrleute
Das IFS-Modell unterscheidet zwischen zwei Arten von schützenden Teilen:

  1. Manager:
    Diese Anteile agieren proaktiv, um den Kontakt zu den verletzten und verbannen Teilen zu verhindern. Sie versuchen, die äußeren Umstände zu kontrollieren, um emotionale Schmerzen zu vermeiden. Ein Manager könnte zum Beispiel durch Perfektionismus oder Überkontrolle das Verlangen nach Suchtverhalten unterdrücken.

  2. Feuerwehrleute:
    Diese Teile kommen in Aktion, wenn der Schmerz der verbannten Teile zu intensiv wird. Sie greifen oft zu impulsiven, kurzfristigen Lösungen wie Alkohol- oder Drogenkonsum, um den Schmerz zu betäuben. Der Feuerwehrmann hat eine kurzfristige Lösung für das Problem, aber keine langfristige Heilung.

Das Selbst als Heilungskraft
Im IFS-Modell ist das Selbst der zentrale, gesunde Anteil, der mit Klarheit und Mitgefühl die Führung übernimmt. Das Ziel der IFS-Therapie ist es, das Selbst zu stärken, damit es die anderen Teile anleiten und versorgen kann. In der Behandlung von Suchtverhalten geht es darum, das Selbst zu aktivieren, damit es mit den verschiedenen Teilen, insbesondere mit den „Feuerwehrleuten“, in einen Dialog treten kann.

Die Feuerwehrleute, die das Suchtverhalten aufrechterhalten, werden nicht verurteilt, sondern in ihrem positiven Wunsch unterstützt, den Schmerz zu lindern. Das Selbst führt einen heilenden Dialog, beruhigt die schützenden Teile und zeigt ihnen, dass es gesündere Wege gibt, den emotionalen Schmerz zu bewältigen. Dadurch wird der Drang, auf Suchtmittel zurückzugreifen, gemildert.

Heilung von verborgenen emotionalen Wunden
Oftmals sind es verbotene oder verdrängte emotionale Wunden, die das Suchtverhalten antreiben. Diese verletzten Teile können aus früheren traumatischen Erlebnissen stammen und sind häufig in einem Zustand von Scham, Angst oder Verlassenheit eingefroren. Das IFS-Modell fördert die Heilung dieser verborgenen Teile, indem es dem Selbst ermöglicht, mit ihnen in Kontakt zu treten und ihnen Mitgefühl und Fürsorge zu bieten.

Der Heilungsprozess umfasst:

  • Das Erkennen und Benennen der Teile:
    Zunächst werden die Teile identifiziert, die in die Suchtproblematik involviert sind. Dazu gehören die schützenden Teile (Manager, Feuerwehrleute) und die verletzten Teile (verbannten Anteile).

  • Dialog und Integration:
    Der Dialog zwischen dem Selbst und den Teilen wird gefördert, wobei das Selbst als einfühlsamer Vermittler fungiert.

  • Heilung durch Mitgefühl:
    Das Selbst hilft, den emotionalen Schmerz zu lindern und den verborgenen Teilen die Unterstützung zu bieten, die sie ursprünglich vermisst haben.

Anwendung des IFS-Modells bei der Suchtbehandlung
In der praktischen Anwendung des IFS bei der Suchtbehandlung wird der Klient ermutigt, mit den verschiedenen inneren Teilen zu arbeiten, um die zugrunde liegenden emotionalen Konflikte zu verstehen und zu heilen. Ein wichtiger Bestandteil ist es, die positiven Absichten der Teile zu erkennen und mit ihnen auf eine gesunde Weise zu kommunizieren.

Ein Beispiel könnte sein:

  • Die Feuerwehrleute (die den Konsum von Drogen oder Alkohol fördern) erkennen, dass sie den emotionalen Schmerz zu betäuben versuchen.

  • Das Selbst tritt in Kontakt mit diesen Teilen und erklärt ihnen, dass es gesündere Wege gibt, mit dem Schmerz umzugehen.

  • Durch diese Integration wird das Verlangen nach Suchtmitteln verringert, da die emotionalen Wunden geheilt und die Teile in einem gesunden Dialog miteinander arbeiten können.

IFS als Schlüssel zur Suchtbewältigung
Das Internal Family Systems (IFS)-Modell bietet eine tiefgehende und ganzheitliche Methode zur Behandlung von Suchtverhalten. Es geht davon aus, dass Sucht oft ein Ausdruck von inneren Konflikten und emotionalen Verletzungen ist. Durch das Arbeiten mit den inneren Teilen und die Aktivierung des Selbst können Klienten lernen, gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln und langfristig aus der Sucht auszubrechen. Das Modell ermöglicht es, selbstzerstörerische Verhaltensweisen zu verstehen, zu heilen und durch mitfühlende, positive Handlungen zu ersetzen.